STILLKINDER UND FLASCHENKINDER
- 9. Dez. 2020
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 8. Mai 2021
Das Verhalten von Stillkindern und Flaschenkindern ist durchaus unterschiedlich. So manch stillende Mutter hat das Gefühl das Kind in den ersten Wochen stetig an der Brust zu haben, während Flaschenkinder nahezu einen Rhythmus zu haben scheinen.

Stillkinder
Wer vielleicht meinen letzten Blockpost über „Saugverwirrung“ gelesen hat, in welchem ich unter anderem über die Saug- und Melkbewegungen gesprochen habe, kann sich nun in etwa vorstellen in welchem „Tempo“ aus der Flasche Milch getrunken werden kann und wie verhältnismäßig langsam die Milch aus der Brust gewonnen wird.
Es ist faszinierend, wie der weibliche Körper funktioniert. Jedes einzelne Detail beeinflusst die Milchproduktion, Milchgebung und das Regulieren der Milchmenge. Angepasst auf den Bedarf des Kindes.
Sollte nun eine von mir betreute, stillende Mutter dies hier lesen, so kennt sie von mir sicher folgende Sätze:
„Mit der Milchbildung ist das wie in der freien Marktwirtschaft: Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Je häufiger das Kind an der Brust saugt, desto mehr realisiert der Körper das und wie viel Milch er bilden muss.“
Beginnt das Kind an der Brust zu suchen oder beginnt zu quengeln, weil es hungrig ist, schüttet der Körper der Mutter das Hormon Oxytocin aus. Oxytocin löst u.a. den Milchspendereflex aus. Beginnt das Kind dann an der Brust zu saugen ist die Zusammenwirkung mit dem zusätzlichen Hormon Prolaktin der Auslöser für einen perfekt funktionierenden Kreislauf.
Eine stillende Mutter hat niemals (ausgenommen bei Stillbesonderheiten) eine leere Brust. In den ersten wenigen Minuten, fliesst die Vormilch. Eine durstlöschendere und flüssigere Milch. Ist der Hormonkreislauf der Mutter durch das Saugen des Kindes angeregt, spendet die Brust die schon vorhandene und sättigendere Milch aus den hinteren Milchgängen. Wenn ein Baby also manchmal nur kurz an der Brust trinken mag, dann kann dies bedeuten das es einfach nur etwas Durst statt Hunger hat. Sehr häufig ist dies im Sommer zu beobachten. Es ist schwül, auch das Baby schwitzt und es entwickelt mehr Durst, ist somit häufig an der Brust.
Je nach Trinkverhalten des Kindes, kann eine Stillmahlzeit 10-30 Minuten dauern. Bei ganz gemütlichen Kindern auch mal 45 Minuten, wobei dies meist nur in den ersten Lebenswochen zu beobachten ist. Der Körper registriert hierdurch wie viel Milch er wann bereit stellen muss, um das Kind sättigen und gedeihen lassen zu können ohne dabei zu viel Milch anzustauen, welche dann wiederrum einen Milchstau bis hin zu einer Brustentzündung (Mastitis) entstehen lassen könnte.
Hat das Kind fertig getrunken, ist die Brust weich und nicht mehr so prall und gespannt. Nun bildet der Körper weiterhin Milch bis zur nächsten Stillmahlzeit.
In den ersten Lebenswochen des Kindes, hat eine stillende Mutter häufiger das Gefühl das die Brust milchgefüllt ist und spannt. Zunächst beginnt nach der Geburt die Hormonumstellung im Körper und braucht ein paar Tage um ausreichend Milchfluss bieten zu können, um sich dann in den Folgewochen dem Bedarf des Kindes anzupassen. Und zwar so anzupassen, dass auch das Spannungsgefühl in der Brust verschwindet. Hier sind die ersten 14 Tage nach der Geburt entscheidend für die weitere Stillzeit.
Ein gutes und individuelles Stillmanagement in den ersten Wochen nach der Geburt, sind idealerweise durch Ihre Hebamme begleitet.
Die Stillberatung ist ein essentieller Schwerpunkt in meiner Arbeit als Hebamme und kann sehr individuell sein.
Das die Hormonausschüttung durch das Stillen ebenfalls positive Auswirkungen auf die Mutter-Kind-Beziehung und die Rückbildung nach der Geburt hat werde ich in einem gesonderten Blogpost erläutern. An dieser Stelle wäre es zu umfangreich.
Das Baby erarbeitet sich seine Milch also durch die Nachfrage an der Brust. Ob dies nun durststillend oder sättigend sein soll, entscheidet das Baby. Macht das Baby einen Wachstumsschub und hat nun mehr Bedarf an Milch, so verlangt es nun ebenfalls häufig die Brust und wirkt zeitweise ungeduldig und ungesättigt. Der Körper der Mutter realisiert nun durch das gehäufte Trinken des Babys, dass mehr Milch produziert werden muss. Bis dann letztendlich die Bedarfsmenge angepasst ist, kann es auch mal 1-3 Tage dauern. In dieser Zeit hat Mama wirklich das Gefühl stetig nur zu stillen und eine leere Brust zu haben.
Flaschenkinder
Salopp gesagt: Wasser vorbereiten, Pulver rein, Schütteln, fertig!
Es gibt unterschiedliche Gründe, warum eine Mutter nicht stillen möchte oder auch nicht stillen kann.
An dieser Stelle möchte ich erwähnen, das ich persönlich natürlich sehr das Stillen unterstütze und nach Möglichkeit auch „bevorzuge“, doch diese Entscheidung liegt ganz bei der Mutter selbst. Flaschenkinder sind nicht benachteiligt, weil sie mit der Flasche groß werden. Und eine Mutter ist nicht einfach nur bequem oder gar eine schlechte Mutter, wenn sie sich gegen das Stillen entscheidet.
Auch diesen Satz hat man sicherlich schon mal von mir gehört:
„Eine bewusst getroffene Entscheidung ist die richtige Entscheidung.“
Wenn ein Baby aus der Flasche trinkt, dann trinkt es die Bedarfsmenge in kurzer Zeit aus dem Sauger. Je nach Saugergröße fließt die Milch reichlich oder auch etwas langsamer. Das Baby muss sich die Milch nicht durch kräftiges Saugen erarbeiten und trinkt somit recht zügig. Und zwar mehr als es das aus der Brust saugen würde.
Es ist erwiesen das Kinder bei einer Flaschenmahlzeit mengenmäßig mehr zu sich nehmen. Sie sind somit nicht nur schneller sondern auch länger satt. Womöglich schlafen sie zwischen den Mahlzeiten 3-4 Stunden, manchmal auch 5 Stunden. Flaschenkinder nehmen in 24h etwa 6-8 Mahlzeiten zu sich wohingegen Stillkinder gerne 8-12 mal nach einer Stillmahlzeit verlangen.
Die Flaschennahrung klingt jetzt sicherlich so schön „unkompliziert“ und wenn man es alltagspraktikabel betrachten möchte auch ziemlich lukrativ.
Es erklärt, wieso Flaschenkinder nicht so „zeitintensiv“ wie Stillkinder sein können, jedoch hat die Flaschennahrung auch so manchen „Nachteil“.
Vergleiche ich nun meine Erfahrungen aus dem Berufsalltag zwischen Stillkindern und Flaschenkindern, so beobachte ich bei Flaschenkindern verhältnismäßig häufigere Nebenwirkungen wie Blähungen, selten auch Koliken, Veränderungen des Stuhlgangs in Häufigkeit, Menge, Konsistenz und Geruch…
Grundsätzlich sind die Pre-Nahrungen, welche man in den ersten 6-12 Monaten verwenden sollte, in ihrer Zusammensetzung sehr ähnlich. Allein schon durch die Vorgaben der Zusammensetzung unterscheiden sie sich wenig, jedoch können die Verdauungsreaktionen beim Baby sehr unterschiedlich auffallen.
Häufig werde ich gefragt welche Nahrung empfehlenswert ist. Da habe ich nur Folgendes zur Antwort: Reine Pre-Nahrung (nicht hypoallergen), keine 1er oder 2er Nahrung und es muss auch keine besondere pro-combiotische Nahrung o.ä. sein. Es sei denn es gibt hierfür konkrete Gründe.
Ja, die Pre-Nahrung macht das Kind nicht immer für 4-5 Stunden satt. Auch zwischendrin fragt das Kind gerne nach der Flasche. Von der Pre-Nahrung selbst kann man das Kind aber nicht „überfüttern“. Die 1er und 2er Nahrung hat einen höheren Energiegehalt macht ergo dann auch länger satt. Doch in den ersten 12 Monaten hat das kindliche Verdauungssystem, das noch unreif bei der Geburt ist und erst in den Folgemonaten ausreift, nicht immer Kapazitäten diesen Energiegehalt ordentlich zu verdauen. Zudem, und hierzu gibt es ebenfalls Untersuchungen, sind diese Kinder auch gefährdeter für späteres Übergewicht und Diabetes.
Von welcher Marke allerdings diese Pre-Nahrung sein sollte ist hier individuell zu entscheiden.
Muttermilch enthält Bestandteile, die in Pre-Nahrung nicht enthalten ist. Dazu zählen bestimmte Enzyme, Eiweiße, Immunglobuline und auch Vitamine. Die Zusammensetzung der Muttermilch im gesamten betrachtet, bewirkt eine schonendere und bessere Verdaulichkeit, die Unterstützung zur Reifung des kindlichen Darmes und eine nicht zu unterschätzende Prophylaxe zur Minderung des Allergie-, Infekt- und Diabetesrisikos. Im besonderen, wenn die familiäre Vorgeschichte bereits Allergien, Immunschwäche und auch Diabetes mit sich bringt.
Abschließend ist zu sagen, dass auch eine nicht stillende Mutter Hormone entwickelt welche förderlich für die Mutter-Kind-Bindung und die Rückbildung sind. Es muss nicht befürchtet werden, dass die Entscheidung nicht zu stillen ein Garant für eine fehlende Rückbildung oder gar Mutter-Kind-Beziehung darstellt.
Der dauerhafte Erhalt eines erhöhten Hormonspiegels macht hier jedoch einige Unterschiede. So unterstützen die Stillhormone auch den Energiegehalt der Mutter. Auch mit wenig Schlaf kommt Mama recht gut durch den Tag und kann ihre Stimmung halten und/oder auch die Fähigkeit, selbst bei unregelmäßigeren Schlaf, genügend Tiefschlafphasen zu haben.

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